Nollendorfplatz

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Ab 1864 erhielt das Gebiet  den Namen der nordböhmischen Ortschaft Nollendorf (tschechisch: Nakléřov). Diese Stadt war Schauplatz der Schlacht bei Kulm und Nollendorf. Der Platz an der Kreuzung mehrerer Straßen wurde 1880 nach den Vorstellungen von Peter Josef Lenné auf der Grenze zwischen der damaligen Stadt Charlottenburg und der Gemeinde Schöneberg angelegt.


Unter dem Nollendorfplatz

aus: Berliner Zeitung, 23.10.1925

In der Kurfürstenstraße, westlich der Potsdamer Straße, sind sie augenblicklich damit beschäftigt, die Baugrube für die Untergrundbahn auszuschachten. Man baut das Verbindungsstück zwischen dem Bahnhof Gleisdreieck und dem Bahnhof Nollendorfplatz. Beide sind Hochbahnhöfe, wozu da als Verbindungsstück eine Untergrundbahn? Die Sache ist komplizierter, als man denkt. Es handelt sich gar nicht um den allgemeinen bekannten Hochbahnhof Nollendorfplatz, von dem aus sich die Bahn nach Westen hin unter das Straßenniveau senkt, sondern um den anderen, den unterirdischen, der schon lange im Rohbau vorhanden ist, von dessen Existenz ober die meisten keine Ahnung haben. Ein Höhlenbau, weit und tief, direkt unter dem Nollendorfplatz. Ein totes Bergwerk gleichsam, das seit vier Jahren ein geheimnisvolles Dasein führt. Nur manchmal klettert auf einer langen Leiter aus einem Luftschacht von der Straße her ein Arbeiter hinab, der etwas mit der Stromabnahme aus der dort unten laufenden Starkstromleitung zu tun hat. Sonst liegt der gewaltige Bau in tiefer Finsternis und Stille.

Der Führer muss noch mit einer Pressgaslampe vorausgehen, sonst würde man mit Sicherheit irgendwo den Hals brechen oder in einer Versenkung verschwinden. Man geht auf Zement, aber der Bahnsteig ist noch nicht eingebaut. Die eisernen, rotgestrichenen Träger stehen auf niedrigen Zementsäulen, die später im Bahnsteig aufgehen werden. Rechts und links laufen die Gruben für die noch nicht vorhandenen Gleise hin. Am Ende des Bahnhofs, der vorläufig noch durch eine Mauer abgeschlossen ist, kommen oberes und unteres Stockwerk zusammen, denn zwei Gleise steigen hier von unten herauf und laufen nun neben den oberen Gleisen her. Man kann also vorläufig in der Grube dieser aufsteigenden Gleise nach dem unteren Bahnsteig gelangen. Später natürlich werden diese Geheimnisse des Baues dem Publikum verschlossen sein, denn hier fährt ja die Bahn.

Aber gerade hier gibt der Bau ein imposantes Bild. Gewaltige Betonsäulen verbinden die beiden Stockwerke. Wie ein unterirdischer Dom, in dessen finsteren Winkeln das Geheimnis lauert. Ein Gewirr von Galerien und Schächten, von Gängen und Seitenräumen, ein Hinauf und Hinab, in dem sich kein Laie zurechtfindet. Und doch ist alles sinnvoll klar, nur das Halbdunkel verwirrt. Und die Unfertigkeit, die so viele Einzelheiten verschleiert. Nun geht es den unteren Bahnsteig zurück und an ein Labyrinth von Tunnels. Rechts zweigt das Gleis nach dein Wittenbergplatz ab, geradezu ein Verbindungstunnel nach der Schöneberger-Bahn, der aber nicht dem Verkehr dienen wird. In dem darüberliegenden Stockwerk mündet an derselben Stelle das vom Wittenbergplatz kommende Gleis in den Bahnhof ein. An der anderen Seite liegen die Gleise von und nach Schöneberg untereinander. Was ist nun der Sinn der ganzen Bahnhofsanlage? Bis heute gibt es zwischen West und Ost keine direkte Verbindung außer dem Gleisdreieck. Wohl aber gibt es drei Pendellinien, nämlich die Kurfürstendammlinie, die im Bahnhof Wittenbergplatz umkehrt und nach Uhlandstraße zurückgeht; ferner die Schöneberger Bahn, die im Bahnhof Nollendorfplatz umkehrt, und endlich die von Osten über das Hallesche Tor kommende Bahn, die nur bis zum Gleisdreieck reicht und dort endet. Den drei Linien ging es wie den Königskindern. „Sie konnten zusammen nicht kommen, das Wasser war viel zu tief." Das Wasser war wohl nicht zu tief, aber der Geldbeutel zu leer. Und nun, da er anscheinend wieder gefüllt ist, wird die lang vor gedachte und sehnsüchtig gewünschte Verbindung endlich hergestellt. Die von Osten kommende Hochbahnlinie, die schon seit Jahren einen Arm weit voraus bis zur Dennewitzstraße streckt, wird nun über diese Straße hinweg in den jenseitigen Häuserblock hineingeführt und senkt sich innerhalb dieses Straßenviertels unter die Erde hinab. Eine Strecke von 300 Metern braucht sie da, und überwindet dabei bis zum Untergrundbahnhof Nollendorfplatz einen Höhenunterschied von 22 1/2 Metern. Aber schon bei der Potsdamer Straße ist sie Untergrundbahn. Sie wird also in den Häusern der Dennewitzstraße verschwinden und nicht wieder auftauchen. Das wird im Anfang einen merkwürdigen Eindruck machen. 

Die Züge rasen in voller Fahrt in die Häuserfront und niemand sieht sie wieder. Aber die Technik hat uns ja schon an ganz andere Dinge gewöhnt. Jenseits der Potsdamer Straße laufen die Züge dann in den am Eingang der Kurfürstenstraße liegenden Untergrundbahnhof Potsdamer Straße ein. Diesen Namen wird der Bahnhof erhalten. Nun geht es unter der Kurfürstenstraße weiter bis zur Motzstraße. Hier wendet sich die Strecke nach dem Nollendorfplatz und mündet in den Untergrundbahnhof. Sie nimmt die beiden Linien auf, die von der Uhlandstraße und von Schöneberg kommen. Die Züge beider Linien fahren also künftig über Nollendorfplatz und Gleisdreieck direkt nach dem Halleschen Tor und weiter, ohne dass man umzusteigen braucht. 

Die beiden Gleisstrecken vom Bahnhof Uhlandstraße her sind in der Kleiststraße schon lange im Bau. Sie werden zu beiden Seiten der Stammbahn Nollendorfplatz - Zoologischer Garten liegen, und die Züge, die von der Uhlandstraße kommen, werden am Nollendorfplatz die inzwischen emporgestiegene Stammbahn unterirdisch kreuzen, um neben den Zügen der Schöneberger Strecke in den Bahnhof Nollendorfplatz und zwar oberhalb der in entgegengesetzter Richtung kommenden einzulaufen. Dass die Gleispaare dieser beiden Linien im Untergrundbahnhof Nollendorfplatz übereinanderliegen, wodurch dieser Bahnhof zwei Stockwerke erhalten musste, hat seinen Grund in der geringen Breite der Motzstraße, in die der Bahnhof weit hineinreicht. Der Bahnhof Gleisdreieck bleibt natürlich Umsteigebahnhof für diejenigen Fahrgäste, die von Uhlandstraße oder von Schömberg nach dem Stadtinnern wollen. Der ganze Bau wird voraussichtlich bis zum Spätherbst 1926 fertig sein. Dann werden auch vielleicht die weiteren großen Pläne der Hochbahngesellschaft der Verwirklichung näher gerückt werden. Späterhin soll die Schöneberger Strecke über die Kurfürstenstraße hinaus weitergeführt werden, und zwar durch die Genthiner Straße, wo ihr Anfang bereits vorgesehen und an der Zwölf-Apostel-Kirche durch eine Wand abgeschlossen ist. Sie wird dann in der Zukunft unter dem Landwehrkanal hindurch den Kemperplatz streifen, Unter den Linden die Nordsüdbahn kreuzen, durch die Königstraße den Alexanderplatz erreichen und durch die Greifswalder Straße nach Weißensee weitergehen. Vom Bahnhof Klosterstraße aus wird eine weitere Linie durch die Königstraße nach dem Alexanderplatz und weiter durch die Große Frankfurter Straße nach dem Bahnhof Frankfurter Allee geführt werden. Wie man sieht, sind es hochfliegende Pläne, die sich da in der Tiefe verwirklichen sollen.

 

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