Lübstorf

224 km von Berlin

Die kleine Gemeinde Lübstorf am Westufer des Schweriner Sees ist 10 Kilometer nördlich von Schwerin und eine besondere Sehenswürdigkeit ist das nördlich gelegene Schloss Wiligrad, erbaut nach Plänen von dem Architekten Albrecht Haupt (*18.03.1852 in Büdingen, †27.10.1932 in Hannover) zwischen den Jahren 1896 und 1898 und im Auftrag des Herzogs Johann Albrecht zu Mecklenburg (*08.12.1857 in Schwerin, †16.02.1920 in Schloss Wiligrad) und dessen Frau Herzogin Elisabeth errichtet. Er nannte den Ort Wiligrad, was obotritischen Ursprungs ist und große Burg bedeutet. Dieser elbslawische Stammesverband, der vom 8. bis zum 12. Jahrhundert auf dem Gebiet des heutigen Mecklenburg und des östlichen Holstein siedelte, war um Wismar und Schwerin ansässig. Vorbild für die Gestaltung der Burg waren die originalen Renaissance-Terrakotten am Fürstenhof in Wismar.


Schloss Wiligrad

Geöffnet 
Oktober bis April:
Dienstag bis Samstag von 10:00 bis 17:00 Uhr, Sonntag 11:00 bis 17:00 Uhr

Mai bis September
Dienstag bis Samstag von 10:00 bis 18:00 Uhr, Sonntag 11:00 bis 18:00 Uhr.

Quelle: "Schloss Wiligrad in Mecklenburg"
Dr. Albrecht Haupt, C.W. Kreidel's Verlag
Wiesbaden 1903



Im Jahr 1898 wurde das Schloss von der herzoglichen Familie (Johann Albrecht zu Mecklenburg *08.12.1857 in Schwerin, †16.02.1920 in Wiligrad) bezogen. Sie bewohnten es bis zum Tod des Herzogs 1920, das Schloss war beliebter Treffpunkt des Hochadels, aber auch von Staatsmännern, Künstlern und Schriftstellern. Nachdem Johann Albrecht verstorben war, ging Wiligrad an die Großherzogliche Vermögensverwaltung und 1921 wurde in den unteren Räumen ein Museum eingerichtet. Exponate waren Stücke, die der Herzog von seinen vielen Reisen in die deutschen Kolonialgebiete mitgebracht hatte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Schloss Wiligrad das Hauptquartier der 15. Schottischen Division unter General Colin Muir Barber (*27.06.1897 in Wallasey in der Grafschaft Cheshire, UK, †05.05.1964 in Worth, Dover District, Kent, England).

Schloss Wiligrad

Im Juni 1945 verhandelten hier die Vertreter der britischen und sowjetischen Besatzungsmächte über den Grenzverlauf zwischen Mecklenburg und Schleswig-Holstein und legten hier für diesen Abschnitt die im Gadebuscher Abkommen ratifizierte innerdeutsche Grenze fest. Das Abkommen selbst wurde am 13. November 1945 in der Gaststätte Goldener Löwe in Lübstorf unterzeichnet. Das Schloss ging in sowjetische Verwaltung über und im Schloss wurde ein Typhuslazarett eingerichtet. Anschließend war hier eine SED-Parteischule und eine Polizeischule. Seit dem Jahr 1991 ist das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern, Abteilung Landesarchäologie im Schloss ansässig, der Kunstverein Wiligrad nutzt die Räumlichkeiten für wechselnde Ausstellungen.


Eines der Wappen an der Fassade des Schlosses (auf blauem Schild ein goldener, rotbezungter und -bewehrter Greif) ähnelt dem von Obbornhofen, einem Stadtteil von Hungen im mittelhessischen Landkreis Gießen.




Aus: "Schloss Wiligrad in Mecklenburg"
Dr. Albrecht Haupt, C.W. Kreidel's Verlag Wiesbaden 1903

Dieses Gebäude wurde erbaut in den Jahren 1996-98 auf Befehl Seiner Hoheit des Herzogs Johann Albrecht zu Mecklenburg, in der Tiefe des früheren Lübstorfer Forstes, nahe dem Ufer des Schweriner Sees, da, wo es sich am höchsten über dem Wasserspiegel erhebt. Die Grundrissanordnung entspricht genauesten Angaben und Weisungen, dass für die architektonische Gestaltung der sogenannte Johann-Albrechtstil, die Mecklenburgische Renaissance, wie sie in der Mitte des 16. Jahrhunderts zu den Zeiten des Herzogs Johann Albrecht I. sich ausgebildet hatte, maßgebend sein sollte.

Dieser eigentümliche Stil nimmt in Deutschland eine völlig abgesonderte Stellung ein und ist nur durch wenige Gebäude vertreten, aber dabei von hoher künstlerischer und kunstgeschichtlicher Bedeutung. Die architektonisch bedeutsamen Teile sind an diesen Beispielen in einer streng und fein gebildeten Terrakotta-Architektur von unverhältnismäßig schweren Hauptgesimse versehen..
 
..Der Flügel und die Wirtschaftsgebäude sind dagegen mehr in dem bürgerlichen Stile jener Zeit in reinem niedersächsischen Backsteinbau mit Verwertung alter Motive, wie sie sich bis Lüneburg und Husum verbreitet finden, ausgebildet. Nur die Blenden sind öfters geputzt, Figuren-Medaillons in Terrakotta, Wappen in Mosaik eingefügt.
 
Über die Ausstattung des Inneren ist weniger zu sagen; vernehm, aber einfach durchgebildet gipfelt die künstlerische Erscheinung des Ganzen in der mächtigen zweistöckigen Halle, deren Oberstock in weißem Stuck ausgeführt ist, während die untere Wandtäfelung und die breite Treppe aus einem schön roten indischen Holze besteht, ebenso wie die Mitte der Decke. Das Arbeitskabinett Seiner Hoheit hat einen nach dem Muster einer Kassettendecke zu Güstrow gestalteten Plafond, die schöne Bibliothekeinrichtung ist nach dem Vorbild einer im alten erzbischöflichen Palais zu Straßburg vorhandenen aus dem 18. Jahrhundert gearbeitet. Das gewölbte Speisezimmer hat eine ovale Büffet- und Silber-Nische, hinter der sich die Anrichte befindet.
 
Der Flügel besitzt andere Höhenverhältnisse als der Hauptbau. Diese Unterschiede werden in der durch ihre Podeste sehr komplizierten Wendeltreppe ausgeglichen. Die zunächst und tief liegende Küche geht durch zwei Stockwerke, der folgende Teil des Flügels ist unterkellert.

 

Erdgeschoss Schloss Wiligrad

Das Treppenhaus ist nach Art süddeutscher Spindeltreppen in Sandstein hergestellt und mit einem Formstein-Netzgewölbe überdeckt. Ringsum sind im Walde sich stets verschönernde und wachsende Gartenanlagen geschaffen, zu welchen eine stattliche Terrassenanlage hinter den Wohnräumen überleitet. Das Stallgebäude enthält außer Stallung und Kutscherwohnung zugleich Wagenremise, Wagenwäsche und kleine Reitbahn. Die von Seiner Hoheit selbst ausgehende Zusammendrängung aller dieser sonst getrennten Teile hat sich sehr bewährt.
 
Das Maschinenhaus birgt die Kessel für die Zentralheizung die Räume für die elektrisch betriebene Wäscherei, die Dampfmaschinen und Elektromotoren nebst Akkumulatorenbatterie für die Lichterzeugung, sodann im 1. Stock die Wohnung für den Maschinenwärter. Das Gebäude ist durch einen unterirdischen Kanal, in dem die Dampfrohre für die Heizung des Hauptgebäudes liegen, mit diesem verbunden.


 

Oben im großen Turme befindet sich das Reservoir für die gesamte Wasserversorgung, auch gegen Feuergefahr, welches durch eine ebenfalls elektrisch betriebene Pumpe aus einem im Keller darunter gegrabenen Brunnen gespeist wird. Am Ende des Flügels ist ein elektrischer Aufzug für das Gepäck angeordnet. 

Was die Kosten der reinen Bauausführung anlangt, so betrugen sie für den Hauptbau bei 909 qm, Flügelbau bei 331 qm zusammen 1340 qm 412.00 M. Die Kosten sind daher als verhältnismäßig niedrig zu bezeichnen, besonders in Anbetracht der entfernten Örtlichkeit und der schlimmen Zufahrtstraßen.
 
Wie oben gesagt, erhebt sich das Gebäude am Seeufer im tiefsten Walde, ein poetischer Erdenwinkel auf altmecklenburgischem Boden, nach dem Willen seines hohen Bauherrn 'Wiligrad' getauft. So hieß die uralte längst verschwundene Stammburg des obotritischen Fürstenhauses, nur noch im Namen erhalten durch den Bericht eines arabischen Reisenden des frühen Mittelalters.


Am Freitag den 10. Juli 1908 berichtete das Berliner Tageblatt vom Tod der Herzogin Elisabeth (*28.02.1854 in Weimar, †10.07.1908 auf Schloss Wiligradim). 

Die Gemahlin des Herzog-Regenten von Braunschweig, die Herzogin Elisabeth zu Mecklenburg-Schwerin, über deren Krankheit wir berichteten, ist heute morgen 7:30 Uhr gestorben. Ein Privat-Telegramm aus Schwerin meldet uns: Die Herzogin ist auf Schloss Wiligrad bei Schwerin an den Folgen eines Nierenleidens, das sich vor wenigen Tagen plötzlich verschlimmerte, sanft entschlafen. Die Herzogin Johann Albrecht wurde am 20. Februar 1854 als Tochter des Großherzogs Karl Alexander von Sachsen-Weimar geboren und vermählte sich in Weimar mit dem Herzog Johann Albrecht am 6. November 1886. Die Herzogin war durch ihre Hilfsbereitschaft für Arme und Kranke und durch ihre vaterländischen Bestrebungen in allen Kreisen der mecklenburgischen Bevölkerung sehr geschätzt

Die Beisetzung findet in der nächsten Woche im Mausoleum zu Doberan statt. Der Großherzog und die Großherzogin-Witwe Wilhelmine sind heute nach Schloss Wiligrad gereist. 



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