Johann Tetzel

Aus: "Kurze Geschichte der Kreisstadt Jüterbog von den ältesten bis auf die neuesten Zeiten",  Dr. Johann Carl Brandt, 1840


Tetzel war von Geburt ein Leipziger. Günstling des bigotten Herzogs Georg von Sachsen, predigte er schon 1508 zu Görlitz und Freiburg des Ablass. In einer Görlitzer Chronik schilderte ihn ein Chronist damaliger Zeit folgendermassen: ‚War seins Leibes ein groß stark mann mit große Aug, seine Sprach beredt und sehr kune, ziemlich gelart und seins Leben also hyn, hat solche Gratien durch deutsche Nation herdurch aufs Geld treilich geprediget, daß sich alle Welt etwas darwieder zu reden gescheut, und dabei gesagt: Er were ein Ketzermeister; alle, die wieder seine Predigt und den Ablaß redeten, den wolle er die Koppe abreißen lassen, sie blutig in die Hölle verstoßen und sie brennen lassen, daß der Rauch über die Mauern aufschlagen solle‘. – Diese Sprache konnte Tetzel allerdings führen; denn er war schon zu der Zeit ein Untercommissarius des päpstlichen [Papst Julius II., *05.12.1443 in Albisola Superiore bei Savona,, †21.02.1513 in Rom] Nuntius Dr. Baumhauer’s [Christian Baumhauer, *1468 in Tallin, †1518 in Dorpat]  Ablassprediger in Obersachsen, welcher in Norddeutschland den Ablasshandel betrieb. Im Jahre 1512 erschien Johann Tetzel zu Ulm, fand es aber für gut, sich zeitig weiter zu wenden, und wählte Innsbruck zu Schauplatz seiner Taten. Hier aber führte er einen schlechten Lebenswandel, trieb Ehebruch, und sollte deshalb ersäuft werden; doch durch Fürsprache seiner Freunde, besonders auf die Fürbitte des Kurfürsten von Sachsen, wurde ihm das Leben geschenkt; jedoch brachte man ihn nach Leipzig und sperrte ihn ein einen Turm, von welchem er aber zu entfliehen wusste. Nun wandte er sich an den Erzbischof Albrecht zu Magdeburg, unsern Landsherren, einen in steter Finanznot steckenden Fürsten, durch dessen Vermittlung er mit dem Papste, als Untercommissarius seines Nuntius Archimbald, einen förmlichen Ablasskontrakt auf 8 Jahre für den Ablasshandel im nördlichen Deutschland zum Besten des Petrikirche in Rom, gegen Bezug der Hälfte von der Einnahme, abschloss; dabei schärfte ihm der Erzbischof die Instruktion ein, dass er nicht unterlassen sollte, in der Predigt zu sagen, dass während der 8 Jahre kein anderer Ablass, man möge ihn nun schon gekauft haben oder erst noch kaufen, gültig sei, als der von ihnen komme. Das Erbaulichste aber war die Bestimmung der Taxe; da hieß es: große Fürsten geben für einen Ablass 25 Gulden; Äbte, höhere Prälaten, Freiherren und ihre Frauen für jede Person 10 Gulden; andere Leute, die 500 Gulden einzunehmen haben, zahlen 6 Gulden; Krämer und Handwerker einen, und noch geringere Personen einen halben Gulden; ganz Arme dürfen die Taxe betteln, wenn sie solche nur gewissenhaft abliefern. – Sodann war die Taxe verschieden nach Beschaffenheit der Sünde; ein Mord kostete 8 Dukaten, Vielweiberei 6 Dukaten, Kinderraub und Meineid 9 Dukaten, jedoch war sie sehr willkürlich.


„Auf diesem mit Geld beladenen Wagen war ein Kreuz mit einem Bannbrief befestigt, in welchem über alle, welche diesen Wagen angreifen würden, die fürchterlichsten Bannflüche ausgesprochen waren; wer aber noch etwas hinzulegen würde, den empfahl der Papst den Engeln, dass sie seine Seele nach dem Tode geradezu in die ewige Freude bringen sollten. Wie Wegnahme des Tetzel’schen Kastens von einem Ritter wird verschieden erzählt. Nach Eilers Belziger Chronik [Johann Christph Eilers] soll ihn ein Edelmann von Schenk [Barwald von Schenk] zwischen Magdeburg und Helmstedt in einem Walde beraubt, nach des Jüterborgers Eckardt’s Aussage soll es ein Ritter von Hake auf Stülpe [Hans von Hake *1472, †1541] getan haben, wogegen die Lehnbriefe im Stülpe’schen Archiv sprechen; denn die von Hake wurden erst 1537 Besitzer von Stülpe. Nach des Chronisten Krakow sehr wahrscheinlicher Meinung soll die Tat wirklich bei Leipzig geschehen sein und der Täter deshalb von Herzog Georg einen Verweis erhalten haben. So viel ist gewiss, dass Tetzel auf seiner Herumreise stets zwei Kästen gehabt, deren einer nur als Reisekoffer, der andere, mit der Inschrift ‚Sobald das Geld im Kasten klingt‘, zur Aufbewahrung des Geldes und der Reliquien (worunter etwas Heu aus der Krippe des Christuskindes) gedient, und dass er sich nicht bloß in Jüterbog, sondern auch an anderen Orten Kästen aus den Kirchen während seines Aufenthalts zu borgen pflegte, die er dann bei seiner Abreise zurücklies. Ein solcher aus der Nikolaikirche erborgter war denn auch unser Ablasskasten, den er als einstweiligen Reisekoffer gebraucht hat. Seinen Geld-Ablass und Reliquienkasten verlor er aber nie aus den Augen und sorgte für seine Erhaltung durch Bannbriefe und sichere Begleitung, wie oben erwähnt.“

 

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